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Lars Althoff beantwortet Ihre Fragen

Arbeitsrecht und Urlaub – was ist möglich und was nicht?

Bis zu den Sommerferien ist es nicht mehr lang. Italien, Spanien oder Frankreich – Reisen ist derzeit unmöglich. So richtig Urlaub machen kann man also folglich gar nicht. Arbeitnehmer stellen sich dazu Fragen, mit denen sich Lars Althoff, Fachanwalt für Arbeitsrecht, derzeit häufiger beschäftigt:

Muss ich meinen Urlaub nehmen, auch wenn ich ihn eigentlich lieber widerrufen würde?

Der Arbeitgeber ist gesetzlich nicht verpflichtet, einen bereits bewilligten Urlaub rückgängig zu machen, so Althoff. Beim Wunsch, den Urlaub zu verschieben, ist es ratsam, den offenen Austausch mit dem Arbeitgeber zu suchen, um eine Lösung zu finden, rät der Anwalt.

Ich stehe unter Quarantäne, habe aber zeitgleich meinen Urlaub. Welchen Anspruch auf Verschiebung habe ich in diesem Fall?

Grundsätzlich ist gesetzlich geregelt, dass bei Krankheit und gleichzeitiger Inanspruchnahme von Urlaub dieser wieder rückgängig gemacht werden darf. So steht es in § 9 im Bundesurlaubsgesetz, erklärt Althoff. Die besonderen Umstände derzeit sind allerdings gesetzlich nicht geregelt, können aber wohl einer Krankheit gleichgesetzt werden, da der Urlaub auch in diesem Fall nicht dem vorgesehenen "Erholungszweck" dienen kann. Sollte diese Situation bei Ihnen der Fall sein, weisen Sie Ihren Arbeitgeber darauf hin, rät der Anwalt.

Mein Arbeitgeber will, dass ich meinen Urlaub nehme, da der Betrieb auf Grund der Krise zu wenig Arbeit hat. Darf er das?

Nein. Urlaub kann durch den Arbeitgeber nicht einseitig angeordnet werden, erläutert Althoff. Das gilt übrigens auch, wenn der Arbeitgeber beschließt, den Betrieb wegen der Epidemie vorübergehend zu schließen. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer freigestellt und somit regulär entlohnt werden. Urlaubstage können auch nicht während der Freistellung angeordnet werden. "Zwangsurlaub" kann einzig mit dringenden betrieblichen Belangen gerechtfertigt werden, wenn der Betrieb beispielsweise angeordnet schließen muss, diese Schließung also nicht freiwillig durch den Arbeitgeber erfolgt.

In meinem Betrieb soll Kurzarbeit angeordnet werden, mein Arbeitgeber fordert nun, dass ich zunächst meinen Resturlaub nehme. Muss ich dem Folge leisten?

Hier kommt es darauf an, ob es sich um einen "vorrangigen Urlaubswunsch" handelt, so der Fachanwalt. Dies gilt beispielsweise für schon lange geplante Urlaube oder Familienurlaub, der in den Schulferien stattfinden muss. Über diese Fragen sollten sich Arbeitgeber mit dem Betriebsrat einigen, falls vorhanden. Ist kein Betriebsrat vorhanden, sollten Sie als Arbeitnehmer offen mit dem Arbeitgeber über Ihre Wünsche sprechen, so der Tipp von Althoff.

Wie verhalten sich Urlaubsanspruch und Kurzarbeit grundsätzlich zueinander?

Althoff weist darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des EuGH zumindest der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch in Zeiten von Kurzarbeit entsprechend dem Anteil der tatsächlichen Arbeitszeit gekürzt werden kann. Wurde daher beispielsweise Kurzarbeit „Null“ angeordnet, so der Anwalt, das heißt arbeiten die Arbeitnehmer gar nicht, entsteht ihnen für diese Zeiten auch kein Urlaubsanspruch.

Mein Betrieb hat derzeit ein erhöhtes Auftragsaufkommen, darf der Arbeitgeber in dem Fall meinen Urlaub streichen bzw. abbrechen?

Grundsätzlich gilt: genehmigt ist genehmigt und kann nicht einseitig widerrufen werden. Ist das Unternehmen allerdings durch das Einhalten des Urlaubs bedroht, folglich in seinem Fortbestand nicht gesichert, ist dies für den Arbeitgeber unzumutbar, so Althoff. Der Urlaub kann dann für einen bestimmten Zeitraum widerrufen werden, um die Arbeitskraft des Arbeitnehmers zur Sicherung des Unternehmens einzusetzen. Dies ist gerade in Zeiten von Corona durchaus möglich, gibt der Anwalt zu bedenken. Dazu zählen allerdings keine Fälle, bei denen der Arbeitgeber die Urlaubsvertretung anderweitig einplant und diese für den abwesenden Arbeitnehmer nicht verfügbar ist. Dieses organisatorische Problem geht zulasten des Arbeitgebers, so Althoff.

Darf mein Chef mich eigentlich während meines Urlaubs anrufen?

Auch betriebliche Engpässe beispielsweise rechtfertigen nicht, dass Ihr Arbeitgeber Sie während Ihres Urlaubes kontaktiert, erklärt Althoff. Ausgenommen davon sind selbstverständlich Bereitschafts- oder Notdienste. Nur eine Art "Existenszbedrohung" des Arbeitgebers, die nur der Arbeitnehmer abwenden kann, kann einen Anruf des Chefs im Urlaub rechtfertigen.

Übrigens: Urlaub verfällt nicht grundsätzlich zum Jahresende bzw. am 31. März des Folgejahres. Laut Bundesarbeitsgericht (BAG) verfällt der Urlaub nicht automatisch, sondern der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer explizit darauf hinweisen. Dies geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH; Az: Rs C-684/16) hervor. Die Richter wollten sicherstellen, dass alle Arbeitnehmer ihren Mindesturlaub auch tatsächlich wahrnehmen können.

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