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Betriebsräte können per Video tagen

Lars Althoff gibt im RGA/Solinger Tageblatt Empfehlungen für Betriebsräte

https://www.solinger-tageblatt.de/solingen/wirtschaft/betriebsraete-koennen-video-tagen-13629077.html

Auch vor dem Gesetz macht das Coronavirus keinen Halt: wie kann z.B. eine Beschlussfassung, die das Zusammentreffen aller Betriebsratsmitglieder bedingt, für Betriebsräte in Zeiten von SARS-CoV-2 aussehen? Die Betriebsräte vieler Firmen stehen damit vor außergewöhnlichen Fragen, auf die das Gesetz so bislang auch noch keine konkrete Antwort hat.

Einen Ansatz der Antwort unternimmt Lars Althoff, Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht:

Videokonferenzen statt Meetings?

Gesetzlich ist ein Betriebsrat nach § 33 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, eine ordentliche Sitzung unter Nennung der Tagesordnung abzuhalten, um beispielsweise personelle Maßnahmen wie bspw. Kündigungen zu beschließen, Kurzarbeit einzuführen oder Sozialpläne zu verhandeln, so Fachanwalt für Arbeitsrecht Lars Althoff. Zudem muss die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Betriebsratsmitglieder gegeben sein. Dies bedeutet: ausnahmslos alle Mitglieder müssen tatsächlich physisch anwesend sein. In einem Raum. Die Anordnung häuslicher Quarantäne und Kontaktverbote machen dieses Vorgehen nun beinahe unmöglich.

Die Frage lautet für die betroffenen Mandanten von Lars Althoff folglich nun: wie soll ich als Betriebsratsmitglied etwas mitbeschließen, wenn ich das Haus nicht verlassen und somit nicht bei der Sitzung anwesend sein darf? Oder von der anderen Seite: wie sollen wir etwas beschließen, wenn eines oder mehrere Mitglieder nicht anwesend sein können oder wollen?

Althoff: "Nach der ständigen BAG-Rechtsprechung ist eine „Beschlussfassung im Umlaufverfahren“ grundsätzlich unzulässig (BAG 4.8.1975 – 2 AZR 266/74). Dies bedeutet: ohne die tatsächliche körperliche Anwesenheit der Mitglieder kann kein rechtsgültiger Beschluss erfolgen.

Hintergrund ist, dass im sogenannten Umlaufverfahren keine Meinungsbildung zwischen den einzelnen BR-Mitgliedern erfolgen kann. Außerdem hat der Beschlussfassung eine mündliche Beratung vorauszugehen, durch die nicht nur jedem BR-Mitglied die gleichen Informations- und Argumentationsmöglichkeiten eingeräumt werden sollen, sondern auch gewährleistet werden soll, dass jedes Mitglied auf Grund der kollegialen Beratung seine eigene Entscheidung trifft.
Dennoch sind auch Ausnahmen von diesem Verbot denkbar. Wenn sich z.B. in einem international tätigen Unternehmen die Betriebsratsmitglieder und Ersatzmitglieder regelmäßig auf Dienstreisen im Ausland befinden und eine BR-Sitzung an einem Ort nicht oder nur unter schwierigsten Bedingungen möglich wäre, ist eine Videokonferenz laut Gesetz als zulässig anzuerkennen."

Meine Empfehlung, für die sich ganz aktuell auch der BMAS (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Hubertus Heil in einer Erklärung vom 23.03.2020 ausgesprochen hat", so Lars Althoff, sei eine Regelungsabrede, d.h .eine formlose Absprache zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, zur Durchführung von Betriebsratssitzungen in Ausnahmesituationen zu vereinbaren. Hier wäre regelbar, dass BR-Sitzungen und Beschlussfassungen nach ordnungsgemäßer Einladung und Festsetzung der Tagesordnung ausnahmsweise auch per Videokonferenz (z.B. Skype o.ä.) wirksam sind. Mustervorlagen für Betriebsräte mit diesen Regelungen, auf die schon einige Unternehmen setzen, so Althoff, haben wir aus aktuellem Anlass gerade in der Kanzlei ausgearbeitet.

Noch ein Tipp: Sollte Ihr Vertrauen als Betriebsrat zum Arbeitgeber so weit reichen, rät Lars Althoff: beschließen Sie als Betriebsrat mit dem Arbeitgeber idealerweise, dass Beschlüsse des Betriebsrats nicht gerichtlich angefochten werden. Hintergrund: Nur bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht wird ggf. festgestellt, dass ein Beschluss unwirksam ist.

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